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Lipödem: OP bald Kassenleistung

Das sogenannte Reiterhosensyndrom ist für viele Betroffene oft eine quälende Erkrankung. Jetzt gibt es gute Nachrichten: Die Kosten für eine Fettabsaugung sollen von den gesetzlichen Krankenkassen bald unabhängig vom Stadium der Erkrankung übernommen werden.

Was ist ein Lipödem?

Beim Lipödem, umgangssprachlich auch „Reiterhosensyndrom“ oder „Säulenbein“ genannt, handelt es sich um eine chronisch fortschreitende Fettverteilungsstörung. Bei Betroffenen sammeln sich unkontrolliert Fettzellen an, und zwar ausschließlich an Beinen, Hüften und Po, mitunter auch an den Armen. Der Oberkörper bleibt schlank, auch Hände und Füße sind meist nicht betroffen. Wassereinlagerungen zwischen den Fettzellen (Ödeme) drücken zudem auf das umliegende Gewebe, was die Körperregionen sehr schmerz- und druckempfindlich macht und zu einem Schwere- und Spannungsgefühl führt. Schon leichte Stöße führen zudem zu Blutergüssen. Verschlimmert sich die Erkrankung, können sich ausgeprägte Fettwülste bilden und das Stehen und Gehen zur Qual machen.

In Deutschland leiden etwa 3,8 Millionen Menschen an einem Lipödem, nahezu ausschließlich Frauen. Die Erkrankung ist je nach Ausmaß oft auch psychisch sehr belastend. Ein Lipödem entwickelt sich in der Regel in Phasen hormoneller Umstellungen, wie der Pubertät oder nach einer Schwangerschaft – und zwar unabhängig von der Ernährung oder körperlicher Aktivität. Eine erbliche Veranlagung scheint eine Rolle zu spielen.

Was ist der Unterschied zwischen Lipödem und Übergewicht/Adipositas?

Im Unterschied zum Lipödem ist bei Adipositas, dem krankhaften Übergewicht, das schwere Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck nach sich ziehen kann, meist der ganze Körper betroffen. Die Ursachen für Adipositas sind zudem komplex. Neben einer ungesunden Ernährung und Bewegungsmangel können auch genetische Faktoren oder Stoffwechselerkrankungen wie eine Schilddrüsenunterfunktion eine Rolle spielen. Beide Erkrankungen erfordern daher  interschiedliche Therapieansätze. Es gibt aber auch Mischformen: So geht ein Lipödem nicht selten mit Übergewicht einher, was die Symptome des Lipödems verschlimmern kann.

Wie wird ein Lipödem behandelt?

Da die genauen Ursachen der Erkrankung bislang nicht bekannt sind, zielt die Therapie vornehmlich darauf ab, die Symptome zu lindern und weitere Fettansammlungen zu vermeiden. Als effektive konservative Behandlung hat sich hier die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) erwiesen, um angestaute Flüssigkeit abzutransportieren und verhärtetes Gewebe zu lockern. Die KPE basiert auf fünf Säulen und muss nach einer Entstauungsphase in der so genannten Erhaltungsphase von den Betroffenen dauerhaft durchgeführt werden. Zur KPE gehören die manuelle Lymphdrainage, die Kompressionstherapie, Hautpflege, Bewegungstherapie sowie Selbstmanagement.

Manuelle Lymphdrainagen werden z. B. von Physiotherapeuten mit spezieller Fortbildung durchgeführt. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten dafür, sofern die Behandlung ärztlich verordnet wurde. Das gilt beim Lipödem in der Regel auch für spezielle Kompressionskleidung wie Strumpfhosen oder Armstrümpfe, die und einen kontinuierlichen Druck auf das Körpergewebe ausüben.

Die Bewegungstherapie hat zum Ziel, die Muskel- und Gelenkpumpe in den Extremitäten zu aktivieren. Besonders in den Beinen fördert die Kontraktion und Entspannung der Muskulatur den Abtransport der Lymph- und Gewebsflüssigkeit. Schwimmen und vor allem Wassergymnastik wie Aqua-Jogging gelten hier als besonders empfehlenswert, da sie zugleich auch gelenkschonend sind. Eine besondere Hautpflege beugt Entzündungen und Infektionen vor.

Verschafft die KPE keine Besserung, können die krankhaften Fettzellen operativ mittels Liposuktion (Fettabsaugung) entfernt werden, um die normale Körperform wiederherzustellen. Häufig verbessern sich die Beschwerden der Patienten dadurch über Jahre.

Was wurde jetzt beschlossen?

Bislang wurden die Kosten für die Fettabsaugung als befristete Ausnahmeregelung erst dann von den gesetzlichen Kassen übernommen, wenn das Lipödem schon im fortgeschrittenen Stadium III war. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) jetzt geändert. Danach soll der Eingriff, der häufig mehrere Tausend Euro kostet, künftig unabhängig vom Stadium der Erkrankung zur regulären Kassenleistung, sprich bezahlt werden. Grundlage für den Beschluss ist die vom G-BA beauftragte LIPLEG-Studie, die der Fettabsaugung gegenüber einer rein konservativen Therapie deutliche Vorteile attestiert.

Die Kostenübernahme soll allerdings an bestimmte Voraussetzungen gebunden sein. Dazu zählen u. a.: Die Diagnose des Lipödems und die Prüfung der Indikationsvoraussetzungen müssen durch einen Facharzt (z. B. für Innere Medizin und Angiologie) erfolgen. Die Indikationsstellung und Durchführung der Liposuktion erfolgt ebenfalls durch Fachärzte, etwa für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie. Konkret: Diagnose und Indikationsstellung müssen unabhängig voneinander durch zwei Fachärzte erfolgen!

Eine zuvor ärztlich verordnete und kontinuierlich durchgeführte konservative Therapie hat über einen Zeitraum von sechs Monaten zu keinem Behandlungserfolg geführt. In den sechs Monaten vor der Indikationsstellung zur Liposuktion fand keine Gewichtszunahme statt. Der Body-Mass-Index (BMI) der Betroffenen muss in einem bestimmten Bereich liegen. So darf bei einem BMI von über 35 kg/m² die Liposuktion nicht verordnet werden bzw. muss zunächst die Adipositas behandelt werden. Offen blieb die Entscheidung über die Möglichkeit von Wiederholungseingriffen.

Ab wann gilt die neue Regelung?

Die Beschlüsse des G-BA werden nun vom Bundesgesundheitsministerium geprüft. Hierfür hat das Ministerium zwei Monate Zeit. Gibt es keine Beanstandungen, tritt die neue Regelung nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Bevor die Liposuktion auch im Stadium I und II ambulante Kassenleistung ist, muss vom Bewertungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen allerdings noch die Vergütung der Behandlung geklärt werden. Der G-BA

geht davon aus, dass dies bis zum 1. Januar 2026 feststehen wird.

Von Adipositas spricht man bei Erwachsenen ab einem Body-Mass-Index von 30 (BMI = Quotient aus Gewicht und Körpergröße zum Quadrat, z. B. 60 kg / 1,70 m x 1,70 m = 20,8).

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