Können wir bald 250 Jahre alt werden?
Longevity ist derzeit in aller Munde, weltweit arbeiten Wissenschaftler an der Erforschung der Langlebigkeit. Wir zeigen, mit welchen Methoden wir das Altern in Zukunft (vielleicht) aufhalten werden und was wir jetzt schon tun können.
Ob sich die Autoren der Bibel verrechnet haben oder einfach nur wild übertrieben, sei dahingestellt. Fakt ist: Nach heutigem Stand liegt die biologische Grenze bei rund 120 Jahren. Die älteste Frau der Welt, Jeanne Calment aus Südfrankreich, wurde 122.
Die Longevity-Forschung (englisch für Langlebigkeit) hat nicht nur zum Ziel, diese Zahl weit zu toppen. Ihr geht es auch darum, dass wir auch jenseits der 100 oder sogar mit 250 noch fit sind – in Kopf und Körper.
Alternde Zellen sollen ersetzt werden
Wie das gehen soll? Im Prinzip wie bei einem Auto. Wenn man es regelmäßig pflegt und Ersatzteile austauscht, kann es auch als Oldtimer noch schnurren wie ein Junger. Die derzeit größten Hoffnungsträger für die Wartung und Reparatur des Menschen in der Zukunft:
Stammzellen: Sie können sich in verschiedene Zelltypen verwandeln und beschädigtes Gewebe ersetzen – etwa in Muskeln, Herz oder Nerven. Solche Stammzellen können zum Beispiel aus Nabelschnur gewonnen werden.
Blutplasma: Dabei wird Blutplasma von jungen Spendern übertragen, um alte Zellen zu verjüngen. Erste Tierversuche zeigten Effekte auf Gedächtnis und Leistungsfähigkeit.
Epigenische Verjüngung: Dabei greifen Wissenschaftler in die Steuerung der Gene ein. Sie messen das biologische Alter von Zellen und versuchen, es mit speziellen Proteinen (Yamanaka-Faktoren) teilweise zurückzusetzen – bei Mäusen gelingt das bereits.
3D-Bioprinting: Damit kann man Zellen und Gewebe herstellen. Im Labor wurden bereits unter anderem Haut, Knorpel und Blutgefäße gedruckt.
Senolytika: Medikamente, die gezielt gealterte Körperzellen eliminieren, um altersbedingte Krankheiten zu verlangsamen oder zu lindern.
Das alles ist bisher aber noch Grundlagenforschung. Und ob wir 10, 15 oder 50 Jahre warten müssen, bis wir davon profitieren können, weiß niemand.
Historie der Langlebigkeit
Bis ins 18. Jahrhundert starben die Menschen im Schnitt mit 40 Jahren. Zunächst verlängerten sauberes Wasser, besseres Essen und Erkenntnisse über Hygiene das Leben.
Im 19. Jahrhundert wurde der Durchschnittsbürger bereits 50 bis 60 Jahre alt. Medizinischer Fortschritt wie zum Beispiel Antibiotika, Impfungen, Früherkennung, bessere Chirurgie sowie modernere Medikamente steigerten die Lebenserwartung bis Mitte des 20. Jahrhunderts weiter auf rund 70 Jahre.
Heute liegt sie bei mehr als 80 Jahren und 100-Jährige sind keine Seltenheit mehr.
Longevity kann jetzt schon jeder
Es gibt aber Tricks, gesund sehr alt zu werden, die heute schon jeder anwenden kann. Dafür muss man seinen Lebensstil noch nicht einmal so radikal anpassen wie der Longevity-Besessene US-Unternehmer Bryan Johnson. Neben Normalgewicht und Verzicht auf Genussmittel wie Tabak und Alkohol ist Schlaf ein wichtiger Faktor. Gesunder Schlaf unterstützt die Zellreparatur, schützt unter anderem vor Übergewicht, Bluthochdruck und Demenz. Die ideale Schlafdauer liegt in der Regel bei 7 bis 8 Stunden pro Nacht.
Ein weiterer Longevity-Schlüssel ist regelmäßige Bewegung. Ideal sind 150 Minuten moderates Training pro Woche (etwa zügiges Gehen, Radfahren, Schwimmen). Das kann unter anderem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Demenz um bis zu 40 Prozent senken. Die Ernährung sollte reich an Gemüse, Obst, Olivenöl, Vollkorn, Fisch und Hülsenfrüchten sein. Diese Lebensmittel schützen vor Entzündungen, sind gut für Gehirn und Gefäße. Wer mag, kann seine Speicher an Vitaminen und Mineralstoffen mit entsprechenden Präparaten aus der Apotheke auffüllen. Das ist besonders bei Vegetariern und Veganern wichtig.
Regelmäßige Checks beim Arzt und Schutz vor Infektionskrankheiten durch Impfungen tragen ebenfalls zum gesunden Altern bei. Die größten Anti-Aging-Faktoren sind jedoch Spaß am Leben und Freundschaften. Zahlreiche Studien belegen: Einsamkeit macht alt. Soziale Isolation wird mittlerweile als so gefährlich eingestuft wie Rauchen. Wer dagegen viel mit Familie und Freunden unternimmt, lebt länger und gesünder.
Laut einer großen US-Studie, in der die Daten von 700.000 Personen im Alter von 40 bis 99 Jahren analysiert wurden, lässt sich das Leben mit einem gesunden Lebensstil deutlich verlängern: bei Frauen im Durchschnitt um 22,6 Jahre, bei Männern um 23,7 Jahre.
Das Altern stoppen wie Bryan Johnson
Seit 2021 steckt der 48-jährige US-Millionär Bryan Johnson jährlich rund zwei Millionen Dollar in sein Selbstexperiment „Project Blueprint“. Sein Ziel: das Altern zu verlangsamen. Dabei arbeitet er mit über 30 Experten zusammen, die ihm einen minutiösen Tagesplan erstellt haben. Johnson schläft sieben bis acht Stunden, steht immer zur selben Zeit auf, isst drei optimierte Mahlzeiten mit insgesamt exakt 1977 Kalorien und trainiert eine Stunde pro Tag. Jede Körperfunktion wird überwacht – von Puls bis zur Hautstruktur. Er lässt regelmäßig Hormonspiegel und Blutwerte messen und sich durchleuchten. Dazu kommen Licht-, Laser- und Kältetherapien. Selbst Transfusionen von Blutplasma jüngerer Menschen (u. a. von seinem Sohn) hat er schon ausprobiert.
Laut seiner Website ist sein biologisches Alter zurzeit rund fünf Jahre jünger als sein tatsächliches. Besonders sein Herz-Kreislauf-System, Haut und Leberwerte sind top. Aber lohnt sich die Anstrengung? Kritiker halten seinen Lebensstil für nicht umsetzbar und vermuten, dass Johnson vor allem für seinen Plan werben möchte, personalisierte Gesundheitsstrategien zu verkaufen – mit digitalen Systemen, die den Körper wie ein Auto überwachen.
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