Ist es der Winter oder bin ich depressiv?
Jeder Zweite kennt den Winterblues aus eigener Erfahrung. Die gute Nachricht: Bei den meisten ist das jetzt normal. Und man kann einiges dagegen tun
Alle Jahre wieder: Man möchte am liebsten ein Murmeltier sein. Sich vollfuttern, verkriechen und die dunkle Jahreszeit verschlafen. Warum bloß sind wir jetzt so schlecht drauf? Weil wir Lichtwesen sind. Tageslicht ist ein wichtiger Taktgeber für viele Körperrhythmen. Strahlt die Sonne, schüttet unser Körper das Hormon Serotonin aus. Das ist unser Glücklichmacher. Es wirkt auf unser Gefühlssystem, bringt uns in gute Stimmung. Bei Dunkelheit wird der Gegenspieler produziert, das Schlafhormon Melatonin. In grauen und trüben Monaten stehen wir verstärkt unter dem Einfluss dieses Schläfrigmachers.
Der wichtigste Rat gegen den Winterblues deshalb: Selbst bei dicken Wolken jeden Tag rausgehen und dabei ab und zu in den Himmel schauen. Die Helligkeit draußen beträgt selbst unter grauen Wolken noch 7000 Lux. Das ist zwar weit weniger als unterm klaren Sonnenhimmel, der mit 100.000 Lux strahlt. Aber es ist hundertfach mehr als in geschlossenen Räumen, wo es in der Regel gerade mal 500 Lux hell ist.
Holen Sie sich zudem Sonnenlicht in die Wohnung. Die normalen Leuchtmittel erreichen zwar eine ausreichende Helligkeit. Es gibt aber spezielle Tageslichtlampen, die besonders zum Start in den Tag helfen, um den WachKick zu bekommen. Wenn man sich morgens circa eine halbe Stunde etwa einen Meter entfernt davorsetzt und ab und zu hineinblickt, wirken sie am besten.
Apropos aufstehen, wenn der Wecker klingelt: Das fällt in der dunklen Jahreszeit vielen schwer. Brauchen wir im Winter etwa mehr Schlaf? „Nein“, sagen Depressionsforscher. Man kann sich zwar generell schläfriger fühlen als im Sommer. Aber man sollte den gewohnten Schlaf-Wach-Rhythmus trotzdem beibehalten.
Wenn man länger als die üblichen sieben bis acht Stunden im Bett bleibt, kann das dazu führen, dass man sich noch müder fühlt. Andererseits kann auch zu wenig Ruhe auf die Stimmung drücken. Bei Einschlafproblemen sind pflanzliche Präparate aus der Apotheke die Mittel der Wahl. Vor allem Baldrian ist wissenschaftlich gut untersucht und macht nicht abhängig.
Winterblues und Depression – die Unterschiede
Bei der „echten“ Depression haben die Patienten eher Ein- und Durchschlafstörungen anstatt eines höheren Schlafbedürfnisses. Dazu kommen häufig Appetitmangel und Gewichtsverlust statt Heißhungerattacken. Ein Anzeichen für eine Depression kann auch sein, dass sich die Betroffenen an gar nichts mehr erfreuen können. Sie können sich zu kaum etwas aufraffen und sind permanent erschöpft. Auch Schuldgefühle, unendliche Hoffnungslosigkeit und schlimmstenfalls Suizidgedanken sind typisch.
Bei Verdacht auf eine krankhafte Depression – auch wenn ein Angehöriger betroffen ist – sollte man sich unbedingt an einen Arzt wenden. Umfangreiche Informationen bietet die Stiftung Deutsche Depressionshilfe auf:
www.deutsche-depressionshilfe.de,
Info-Telefon 0800 / 33 44 533.
Kein Wunder, dass die Supermarktregale jetzt voller Süßkram sind. Schokolade macht tatsächlich glücklich. In ihr stecken Zucker – also Kohlenhydrate – und die Aminosäure Tryptophan. Das sind Substanzen, aus denen der Körper das Happy-Hormon Serotonin herstellt, das ihm jetzt fehlt. Die „Nebenwirkung“ Gewichtszunahme trägt allerdings nicht dazu bei, dass man sich besser fühlt. Mediziner raten, besser zu B-Vitaminen zu greifen. Die liefern unter anderem Baustoffe für Serotonin, fördern den Energiestoffwechsel und unterstützen die Stressverarbeitung.
Kontraproduktiv beim Wintertief: sich einzuigeln und zurückzuziehen. Im Gegenteil: Aktiv zu bleiben, mit Familie und Freunden etwas zu unternehmen, viel frische Luft zu tanken und sich zum Beispiel mit seinem Hobby intensiv zu beschäftigen, hebt die Laune. Dabei hilft, sich jeden Sonntag zu notieren, was man in der kommenden Woche Schönes machen will.
Sommer-Feeling lässt sich auch zurückholen: mit anderen in Erinnerungen vom Urlaub schwelgen. Fotos anschauen. Die passende Musik dazu hören und vielleicht sogar spontan dazu tanzen. Auch gut: Schnuppern Sie sich froh. Die Geruchsrezeptoren der Nase sind direkt mit dem Teil des Gehirns verbunden, in denen Gefühle entstehen. Frische Düfte wie Zitrone, Limette oder Zitronengras wirken wie Fitmacher. Mit diesen Tipps sollte sich der Winterblues spätestens nach ein paar Wochen verzogen haben. Nur in sehr seltenen Fällen (1 % der Betroffenen) ist das Seelentief in Herbst und Winter eine „echte“ krankhafte Depression.
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